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Vier aus den sprachlichen Anforderungen für SSP und SSCP resultierende Herausforderungen

Neue sprachliche Herausforderungen und empfohlene Lösungen

Lionbridge befasst sich bereits seit 2019 in Blogs mit den sprachlichen Anforderungen für SSCP (Kurzberichte über Sicherheit und klinische Leistung). Der SSCP ist ein gemäß der EU-Verordnung über Medizinprodukte (2017/745) vorgeschriebenes Dokument. Wir wollen im Rahmen der Umsetzung der neuen EU-Vorschriften für Medizinprodukte Hilfestellung und Perspektiven zur Einhaltung der sprachlichen Anforderungen für SSCP anbieten. In diesem Blog werden wir praxisorientierte Empfehlungen zu den Übersetzungsanforderungen und Sprachstandards für SSP und SSCP erörtern, die wir aus den Kurzberichten unserer Kunden ableiten. Die Kurzberichte können durchaus anspruchsvoll sein und sollten in die für den Lebenszyklus des Produkts definierte Sprachstrategie eingebunden werden.

Neuer Content, neue Herausforderungen, neue Möglichkeiten

Der Kurzbericht über Sicherheit und klinische Leistung (SSCP) und beim der Kurzbericht über Sicherheit und Leistung (SSP) sind rechtlich vorgeschriebene Dokumente, die von einer benannten Stelle (Notified Body, NB) im Rahmen der Bewertung der technischen Konformität gemäß den EU-Vorschriften für Medizinprodukte validiert werden. Der SSCP ist nach der EU-Verordnung für Medizinprodukte (MDR), der SSP nach der Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR) erforderlich. Beide Kurzberichte sind in EUDAMED, der im Rahmen der EU-Reformen eingerichteten europäischen Datenbank für Medizinprodukte, öffentlich zugänglich.  

Die Berichte enthalten wichtige Information für die Benutzer von Medizinprodukten und sind Teil der laufenden Bemühungen der Gesetzgebung, für mehr Transparenz auf dem europäischen Medizintechnikmarkt zu sorgen. Sie enthalten aktualisierte Informationen über die klinische Leistung und Sicherheit von Produkten für Patienten und in der Gesundfürsorge tätige Personen. Patienten können auf Basis der Kurzberichte fundierte Entscheidungen in Bezug auf die eigene Gesundheit treffen, weil sie über Risiken und unerwünschte Wirkungen von Produkten informiert werden.  

Während zum SSCP Leitlinien der Branche verfügbar sind, wurde für den SSP (für die IVD) nur eine Vorlage veröffentlicht. Dies stellt für viele Hersteller von In-vitro-Diagnostika eine Herausforderung dar. Da in den Plänen der MDCG keine Leitlinien angekündigt sind, empfiehlt Lionbridge IVD-Herstellern, bei der Erstellung, Aktualisierung und Übersetzung ihrer Kurzberichte analog zu den SSCP-Leitlinien vorzugehen. Obwohl sich die Produkte unterscheiden, ähneln sich die Herausforderungen bei der Entwicklung und Übersetzung der Kurzberichte.  

Lionbridge hat vier spezifische Herausforderungen identifiziert:

  • Stilistische und zielgruppenspezifische Herausforderungen

  • Abhängigkeit von mehreren Live-Dokumenten 

  • Übersetzungen in mehrere Sprachen 

  • Lesbarkeitstestverfahren

1. Herausforderung: Stilistische und zielgruppenspezifische Herausforderungen

Da der SSCP/SSP vollständig aus der technischen Dokumentation exzerpiert wird, besteht die Gefahr, dass der technische Sprachstil der Quelldokumente in die Kurzberichte übernommen wird. Das Ergebnis wäre eine juristischen Anforderungen genügende Sprache, die mit Fachbegriffen gespickt ist. Das würde den in den EU-Richtlinien formulierten Hauptzweck der Kurzberichte verfehlen, die Transparenz zu erhöhen, statt nur der Erfüllung regulatorischer Anforderungen zu dienen. Je nach Verwendungszweck des Medizinprodukts können auch in der Gesundheitsfürsorge tätige Personen und Patienten zur Zielgruppe der Kurzberichte zählen. Und da die Berichte in EUDAMED in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht werden, wird die Öffentlichkeit insgesamt zur Zielgruppe.  

Mehrere Zielgruppen mit einem Dokument anzusprechen, ist aufgrund der deutlichen Unterschiede zwischen medizinischer Fachsprache und verständlicher Sprache alles andere als einfach. Hersteller müssen den Zweck der Kurzberichte im Auge behalten und dürfen sie nicht als Ersatz für Gebrauchsanleitungen nutzen.  

Um diese kommunikativen Herausforderungen zu bewältigen, empfehlen wir Herstellern, einen Styleguide für die Kurzberichte zu entwickeln und so weit wie möglich eine laienverständliche Sprache zu verwenden, ohne jedoch die Darstellung der Leistungs- und Sicherheitsnachweise für das Produkt zu vernachlässigen. So können z. B. Abschnitte zum Verwendungszweck und zu Risiken etwas anders als in den technischen Quelldokumenten formuliert werden, damit sie für alle Zielgruppen – insbesondere für Patienten – verständlich sind.  

Wir konnten beobachten, dass Styleguides gerade für Sponsoren klinischer Prüfungen geeignet sind, weil sie gemäß der EU-Verordnung über klinische Prüfungen (536/2014) laienverständliche Zusammenfassungen der Ergebnisse klinischer Prüfungen veröffentlichen müssen. Ein Styleguide unterstützt das Verfassen und Übersetzen der Kurzberichte. Weitere Ratschläge zum Schreiben in laienverständlicher Sprache enthält das Handbuch Good Lay Summary Practice unter EudraLex Volume 10 (mitverfasst und herausgegeben von Pia Windelov von Lionbridge).  

2. Herausforderung: Abhängigkeit von mehreren Live-Dokumenten

Der SSCP/SSP ist ein schriftliches und kontinuierlich aktualisiertes, sogenanntes Live-Dokument, das auf mehreren technischen Dokumenten basiert, die im Lauf des Produktlebenszyklus geändert werden. Diese Änderungen müssen eingearbeitet werden, damit die Kurzberichte stets den aktuellen Wissensstand zu Sicherheit und Leistung des Produkts widerspiegeln. Die Hersteller legen fest, wann ein Kurzbericht aktualisiert werden muss, um das gegenwärtige Nutzen-Risiko-Profil eines Produkts zu berücksichtigen und die vorhandenen Daten transparent darzustellen.  

Änderungen können veranlasst werden, wenn neue Erkenntnisse zu einem Produkt gewonnen werden oder sich die Berichtspflichten im Lebenszyklus des jeweiligen Produkts ändern. Dokumente wie der Clinical Evaluation Report und der Performance Evaluation Report müssen in regelmäßigen Intervallen, SSCP und SSP dagegen nur bei Bedarf aktualisiert werden. Die Kontrolle der Datensperrpunkte für den Kurzbericht und für diese voneinander abhängigen Dokumente kann für die Hersteller eine Herausforderung darstellen. Wir haben erfahren, dass die benannten Stellen besonderen Fokus auf die Abstimmung aller verbundenen Dokumente legen. Deshalb empfehlen wir Herstellern, SSCP und SSP in eine für den Produktlebenszyklus geltende Sprachstrategie einzubinden, welche die Kontrolle aller voneinander abhängigen Dokumente und ihrer Übersetzungen sicherstellt.  

3. Herausforderung: Übersetzungen in mehrere Sprachen

Die MDCG-Leitlinie besagt, dass Übersetzungen des SSCP zur Sicherstellung der Genauigkeit im Qualitätsmanagementsystem von Herstellern berücksichtigt werden müssen. Die benannten Stellen (NB, Named Bodies) validieren einen Kurzbericht nur in der Sprache des Herstellers und ggf. zusätzlich in Englisch. Die validierten Berichte werden nach der Validierung und Ausfertigung des Erstzertifikats innerhalb von 15 Tagen in EUDAMED hochgeladen. Innerhalb von 90 Tagen nach der Validierung des Master-SSCP/SSP müssen die Kurzberichte übersetzt und in den lokalen Sprachen der Mitgliedstaaten bereitgestellt werden, in denen das Produkt verkauft wird.  

Die Übersetzungsqualität hängt stark von der Qualität des Ausgangstextes ab. Eine unzureichende Abstimmung der technischen Dokumente überträgt sich auf die Medizinprodukt-Übersetzungen. Auch hier hilft eine Sprachstrategie für den Produktlebenszyklus bei der Kontrolle des gesamten Contents im Lebenszyklus des Produkts in der Ausgangssprache und in den Zielsprachen. Eine solche Strategie und Sprachressourcen auf der Produktebene einzurichten, ist letztlich effizienter, als sich auf Translation Memorys auf Unternehmens- oder Funktionsebene zu stützen. Und auch die funktionsübergreifenden Teams profitieren im Rahmen der jährlichen Meetings zur Aktualisierung der technischen Dokumentation von einem vordefinierten und konsolidierten Sprachansatz.  

4. Herausforderung: Lesbarkeitstestverfahren

Lesbarkeitstests werden in den Life Sciences eingesetzt, um sicherzustellen, dass die Informationen in einer dem Wissensstand der Zielgruppe angemessenen Art und Weise präsentiert werden. Die benannten Stellen erwarten von Herstellern die Durchführung eines Lesbarkeitstests. Die MDCG-Leitlinie erlaubt es Herstellern jedoch, ein eigenes Verfahren zur Sicherstellung der Lesbarkeit zu definieren.  

In diesem Stadium der MDR- und IVDR-Einführung scheinen Hersteller primär das kostenlos erhältliche Flesch-Kincaid-Scoringsystem zu verwenden. Dieses System wurde in den 1940er Jahren entwickelt und von der US Navy für technische Handbücher übernommen. Das Flesch-Kincaid-System ist über MS Word verfügbar und einigen Einschränkungen unterworfen. Es basiert ausschließlich auf der Länge der Sätze und Wörter. Ein Dokument kann mit kurzen Sätzen und wenigen Silben eine akzeptable Punktzahl erreichen, auch wenn der Gehalt für den Leser im Dunklen bleibt.  

Lionbridge stellt die fortschrittlichere Linguistic Toolbox mit mehreren Scoringsystemen bereit, um ein differenzierteres Ergebnis zu erzielen, indem beispielsweise die Verwendung von Aktiv und Passiv berücksichtigt wird. Wenn die benannten Stellen im Lauf der Zeit mehr Kurzberichte validieren, werden die Erwartungen an die Lesbarkeitstests möglicherweise steigen. In jedem Fall bleibt im Rahmen der Konformitätsbewertung durch benannte Stellen nur begrenzter Raum für Fragerunden. Hersteller müssen also darauf vorbereitet sein, das Auslassen von Lesbarkeitstests oder die Wahl des Verfahrens zu begründen.   

Kontakt

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VERFASST VON
Pia Windelov, VP für Life Sciences Strategy and Product Marketing