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Die Bedeutung laienverständlicher Kommunikation in der klinischen Forschung

Ein Interview mit der Vorsitzenden des European Forum for Good Clinical Practice, Ingrid Klingmann

Dieses Gespräch ist Teil unserer Reihe zum Thema Patienteneinbindung , in der Experten von Lionbridge Life Sciences über die Entwicklungen in der Vergangenheit und die aktuelle Situation der Teilnehmer von klinischen Studien sowie über Patienten im Gesundheitssystem sprechen.


Aufgrund unseres Engagements für transparente und zugängliche Kommunikation in der Life-Sciences-Branche und im Hinblick auf Patientengemeinschaften wurde Lionbridge im Jahr 2021 unternehmerisches Mitglied im European Forum for Good Clinical Practice (EFGCP).

Kürzlich führte Pia Windelov, Senior Director of Regulated Life Sciences Solutions Portfolio bei Lionbridge, ein Interview mit Ingrid Klingmann, der Vorsitzenden des EFGCP.

In diesem Gespräch ging es besonders um die Bedeutung, die Kommunikation und eine für Laien verständliche Sprache in der klinischen Forschung für verschiedenste Akteure im Gesundheitssektor haben kann.

Pia Windelov: Ingrid Klingmann, ich begrüße Sie. Vielen Dank für Ihr Kommen. Bei Lionbridge sind wir begeistert über unsere Partnerschaft mit dem EFGCP, denn wir teilen die Leidenschaft, transparente und effektive Kommunikation für Patientengruppen, die Life-Sciences-Branche, Ethikkommissionen und Regulierungsbehörden umzusetzen. Wir beide hatten bereits das Vergnügen, an der Roadmap-Initiative für GLSP (Good Lay Summary Practice, bewährte Praktiken für Kurzfassungen in Laiensprache) zusammenzuarbeiten. Unter der Federführung des EFGCP und der EFPIA (European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations) erarbeiteten wir Multi-Stakeholder-Empfehlungen für die Erstellung von laienverständlichen Kurzfassungen der Ergebnisse klinischer Studien entsprechend der neuen EU-Verordnung über klinische Prüfungen. Am 4. Oktober wurde die GLSP als Leitfaden, der von der Clinical Trials Expert Group der EU-Kommission übernommen wurde, im EudraLex Band 10 veröffentlicht.

Können Sie uns näher erläutern, wie Sie sich die Rolle und Mission des EFGCP hinsichtlich der Kommunikation und Transparenz von Ergebnissen in der klinischen Forschung, für Regulierungsbehörden und Patientengemeinschaften vorstellen?

Ingrid Klingmann: Die Transparenz der Ergebnisse klinischer Studien lässt sich nur dann bedeutend verbessern, wenn die Erstellung und Verbreitung von Kurzfassungen in Laiensprache auch praktisch durchführbar ist. Sowohl Patienten als auch die Öffentlichkeit müssen die Informationen leicht finden und verstehen können. Es besteht Einigkeit darüber, dass es einen Bedarf für eine konkrete globale Infrastruktur für die Erstellung und Verbreitung patientenorientierter Kurzfassungen in Laiensprache gibt. Auf dieser Grundlage haben sich über 60 Organisationen in der „Roadmap Initiative to Good Lay Summary Practice” (GLSP) zusammengetan. Insgesamt repräsentiert dieser Zusammenschluss alle beteiligten Interessengruppen.

Als Erstes wurde bestehendes Know-how zu Kurzfassungen in Laiensprache gesammelt und diskutiert. Anschließend entwickelten wir gemeinsam die besten Herangehensweisen für eine Kurzanleitung bzw. ein Handbuch, das als Wegbereiter für eine gesetzliche Vorgabe dienen konnte, welche in Form der Clinical Trial Regulation am 31. Januar 2022 in Kraft treten wird. In Zusammenarbeit mit der „Expert Group on Clinical Trials“ (CTEG) der Generaldirektion SANTE der EU-Kommission sind diese Empfehlungen inzwischen Bestandteil des Regelwerks der EU für klinische Studien im EudraLex Band 10.

Dies ist jedoch nur der erste Schritt für verlässliche Transparenz bei klinischen Studien. Ebenso wichtig ist die Einführung dieser Empfehlungen in die Arbeitsprozesse von Branchen- und akademischen Sponsoren und der Community für Patienteneinbindung.

Die Mitgliedsorganisationen der Roadmap-Initiative haben darüber hinaus beschlossen, die Phase der Informationsverbreitung unter der Leitung von EFGCP und EFPIA gemeinsam einzuläuten. Das bedeutet, dass wir einen Arbeitsplan erstellen und realisieren werden, der auf ein möglichst breites Bewusstsein der neuen Norm abzielt. Wir werden Webinars und Workshops für die Öffentlichkeit sowie für einzelne Interessengruppen abhalten, in denen die Umsetzung der GLSP, mögliche damit verbundene Herausforderungen und verbesserungswürdige Bereiche diskutiert werden. Und wir werden spezielle Schulungsprogramme entwickeln, die die Anforderungen der unterschiedlichen Akteure thematisieren. Mit Unterstützung unserer Kollegen in den USA hoffen wir, in Sachen Transparenz von Ergebnissen klinischer Studien einen deutlichen Sprung nach vorne zu machen.

PW: Lionbridge bietet Sprachdienstleistungen und Sprachtechnologien an. Unsere Kunden wenden sich daher häufig mit Fragen zur Compliance und für branchenbezogenen Rat an uns – besonders mit Blick auf die Sprachanforderungen der neuen EU-Reformen für klinische Studien (EU Clinical Trials Regulation, EU CTR) und die Medizintechnik (EU MDR sowie EU IVDR). Ihre Bitte um Hilfe zeugt meines Erachtens davon, dass es seitens der Regulierungsbehörden an Orientierungshilfe mangelt und Sprache weiterhin als nationales Anliegen gesehen und von jedem EU-Mitgliedsstaat selbst geregelt wird. Können wir Ihrer Meinung nach von den Regulierungsbehörden mehr Orientierung oder Normen zur Unterstützung der Branche für die Entwicklung und Verbreitung von laienverständlicher Kommunikation erwarten?

IK: Der Zugang zu Informationen in der Landessprache ist Aufgabe der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU-Kommission versuchen wird, diesen Bereich über den in den GLSP präsentierten Ansatz hinaus zu regulieren: Wenn es um Entscheidungen geht, z. B. um die Teilnahme an einer klinischen Studie, müssen die Informationen (in der Patienteninformation) in einer Sprache bereitgestellt werden, die der Patient versteht. Gleichermaßen sollten die Ergebnisse in ebendiesen Sprachen verfügbar sein.

A close-up of a medical provider reviewing someone's chart.

PW: Können Sie uns einige der Herausforderungen nennen, die Ihnen bei der Erstellung effektiver, werbefreier Kommunikation der Ergebnisse klinischer Studien und hinsichtlich der Leistung von Medizinprodukten für Studienteilnehmer und die breite Öffentlichkeit auffallen? Diese Frage wird aufgrund der kommenden EU-Datenbanken für klinische Studien und Medizinprodukte, die als Teil der neuen regulatorischen EU-Reformen eingeführt werden, zweifellos für das gesamte Gesundheitswesen relevant sein.

IK: Wir haben uns auf anerkannte Normen für den Inhalt von Kurzfassungen in Laiensprache und deren Erstellung geeinigt. Allerdings stellen wir uns die Frage, ob diese laienverständlichen Kurzfassungen Patienten und Öffentlichkeit tatsächlich erreichen werden. Das Hochladen der Daten von Studien zu Medikamenten und Medizinprodukten in die EU-Datenbank ist gesetzlich vorgeschrieben. Allerdings wurde kein dedizierter Speicherort für Ergebnisübersichten aller anderen Arten klinischer Studien festgelegt. Wir sind uns nicht sicher, ob Patienten und die Öffentlichkeit in diesen komplexen EU-Datenbanken proaktiv nach den Ergebnissen von Studien zu Medikamenten und Medizinprodukten suchen werden.

Eine weitere Herausforderung ist die von der neuen Gesetzgebung vorgesehene, äußerst kurze Vorlaufzeit, die eine Erstellung von uneingeschränkt zweckdienlichen Kurzfassungen in Laiensprache deutlich erschweren wird. Im Idealfall sollten Patienten in die Erstellung von laienverständlichen Kurzfassungen eingebunden werden, und die Masterversion sowie die Übersetzungen sollten von Anwendern fachgerecht geprüft werden.

Als dritten Punkt möchte ich den Inhalt nennen: Eine Zusammenfassung in Laiensprache sollte sowohl Ergebnisse hinsichtlich der primären wissenschaftlichen Fragestellung umfassen als auch patientenrelevante sekundäre Ziele thematisieren. Aber wie definieren wir „patientenrelevant“? Diese Unklarheit lässt Raum für eine schönfärberische Darstellung, also eine bevorzugte Präsentation vorteilhafter Ergebnisse. Unsere GLSP-Empfehlungen umfassen Ratschläge, wie sich dies vermeiden lässt. Dennoch besteht keine Garantie, dass Sponsoren diese Empfehlungen zuverlässig umsetzen.

„Die GLSP empfehlen, dass Sponsoren von Studien bereits vor Studienstart mit der Planung einer für Laien verständlichen Präsentation der Ergebnisse und den zugehörigen Übersetzungen beginnen – d. h. zeitgleich mit der Vorbereitung des Studienprotokolls und der Patienteninformation/Einwilligungserklärung.“

PW: Generell herrscht Einigkeit darüber, dass Kommunikation mit Laien oder einem nicht-wissenschaftlichen Publikum – wie Studienteilnehmern, Patienten und der allgemeinen Öffentlichkeit – in der Landes- oder Muttersprache am effektivsten ist. Allerdings begegnen uns als Sprachdienstleister häufig Kunden, die Übersetzungen erst in letzter Minute und mit begrenztem Budget oder geringen finanziellen Mitteln angehen. Erwarten Sie, dass sich dieser Ansatz in Zukunft ändert, wo doch Transparenz und Ergebniskommunikation unter den neuen regulatorischen EU-Reformen für klinische Studien und Studien über Medizinprodukte jetzt stärker in den Fokus rücken?

IK: Das wird noch eine ganze Weile lang ein Thema sein, fürchte ich. Die GLSP empfehlen, dass Sponsoren von Studien bereits vor Studienstart mit der Planung einer für Laien verständlichen Präsentation der Ergebnisse und den zugehörigen Übersetzungen beginnen – d. h. zeitgleich mit der Vorbereitung des Studienprotokolls und der Patienteninformation/Einwilligungserklärung. So soll bereits im Voraus vereinbart werden, wie die Ergebnisse präsentiert werden und dass der gleiche sprachliche Ansatz sowohl für die Patienteninformation als auch die Kurzfassung in Laiensprache gilt. Eine so frühzeitige Planung ist auch für die Einhaltung der äußerst kurzen Fristen zur Offenlegung der Ergebnisse nach Abschluss einer Studie dienlich. Doch es geht hier auch um die Budgetierung: Eine frühzeitige Planung sollte Mittel für die Kurzfassung in Laiensprache samt Übersetzungen bereitstellen. Vor allem bei öffentlich finanzierten Studien wird dies jedoch eine Herausforderung sein, denn die Erstellung und Verbreitung der Kurzfassung in Laiensprache erfolgt möglicherweise erst deutlich nach Ende des Finanzierungszeitraums. Und in den derzeitigen Finanzierungsplänen ist eine Förderung von Projektaktivitäten, die nach dem Projektzeitraum stattfinden, nicht vorgesehen.

PW: Als Vorstandsvorsitzende des EFGCP arbeiten Sie eng mit Regulierungsbehörden, der Wirtschaft, wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Patientengemeinschaften zusammen. Bei welchen dieser äußerst verschiedenen Interessengruppen sehen Sie Fortschritte oder auch Rückschritte hinsichtlich der Erstellung transparenter Kommunikation? Und wie wird sich die laienverständliche Kommunikation über die nächsten Jahre entwickeln?

IK: Große Pharmaunternehmen haben bereits Verfahren zur Erstellung von Kurzfassungen in Laiensprache für Ergebnisse klinischer Studien an Erwachsenen eingeführt. Für die Ergebnisse pädiatrischer Studien ist dies bisher jedoch nur in geringem Umfang der Fall. Kleinere Unternehmen und Wissenschaftler stehen in dieser Hinsicht allerdings noch ganz am Anfang. Ihnen stehen wenig Erfahrung und begrenzte Ressourcen für die Erstellung, Übersetzung und Verbreitung von Kurzfassungen für Laien zur Verfügung.

Einer der Hauptpunkte der GLSP betrifft die Einbindung von Patienten in den Erstellungs-, Übersetzungs- und Verbreitungsprozess. Dieser Aspekt lässt sich innerhalb des äußerst knapp bemessenen Zeitrahmens und ohne finanzielle Mittel nur schwer umsetzen. Dass die Erstellung und Verbreitung patientenorientierter Kurzfassungen in Laiensprache gesetzlich vorgeschrieben ist, trägt viel zur Schärfung des Bewusstseins für den Bedarf und die Vorteile verlässlicher Transparenz von Ergebnissen bei. Es bedarf jedoch einer gewaltigen internationalen Anstrengung aller Interessengruppen, bis die transparente Präsentation von Ergebnissen zu einer routinemäßigen Dienstleistung für unsere Patienten und die Öffentlichkeit wird.

Spherical arrangements of small twinkle lights.

PW: Im Bereich MedTech und in der Pharmabranche haben wir bei Lionbridge regelmäßig Kunden, die uns bei der Durchführung von Lesbarkeitstests von laienverständlichen Kurzfassungen in der Landessprache um Rat bitten. Dadurch entsteht bei mir der Eindruck, dass es an regulatorischen Leitlinien zu geeigneten Methoden der Lesbarkeitsprüfung fehlt. Stimmen Sie dieser Beobachtung zu? Meiner Meinung nach sollte die EU aufgrund der vielen Sprachen im europäischen Raum führend bei der Erstellung effektiver Lesbarkeitslösungen sein. Was könnte Ihrer Ansicht nach der Grund dafür sein, dass das Testen der Lesbarkeit von den Regulierungsbehörden nur begrenzt Aufmerksamkeit erhält – trotz der Mehrsprachigkeit in der Europäischen Union?

IK: Ich stimme Ihnen zu, aber ich denke nicht, dass uns die Lösung dieses Problems mithilfe von Leitlinien der EU gelingen wird. Die für einen Lesbarkeitstest jeweils am besten geeignete Norm sollte in Zusammenarbeit zwischen dem Sponsor und den Patientengemeinschaften vorgeschlagen, erörtert, festgelegt und umgesetzt werden.

„Es bedarf einer gewaltigen internationalen Anstrengung aller Interessengruppen, bis die transparente Präsentation von Ergebnissen zu einer routinemäßigen Dienstleistung für unsere Patienten und die Öffentlichkeit wird.“

PW: Patienten, Studienteilnehmer und Pflegekräfte suchen immer häufiger von sich aus nach Informationen, denn gesundheitsbezogene Daten und soziale Plattformen, auf denen Informationen ungehindert geteilt werden, sind allgemein verfügbar. Denken Sie, dass die Nutzung von Social-Media-Plattformen und die Art, wie Inhalte von Arzneimittel- oder Medizinprodukteherstellern geteilt werden, in Zukunft auf diesen Plattformen stärker reguliert werden?

IK: Trotz intensiver Diskussion und einem entsprechenden Vorschlag der Mitglieder der Roadmap-Initiative wird die endgültige GLSP-Version keine Orientierungshilfe zur Handhabung der Verbreitung von Kurzfassungen in Laiensprache über Social-Media-Plattformen enthalten. Der Prozess der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung in Regulierungsbehörden, Ethikkomitees und bei Sponsoren hat bisher noch nicht das Niveau erreicht, das die Weitergabe allgemeiner Empfehlungen zulässt. Dafür müssen viele Aspekte berücksichtigt werden. Sich damit zu beschäftigen, könnte ein Thema für die nächste Version der GLSP-Empfehlungen sein.

PW: Gesundheitskompetenz ist nicht nur in der EU, sondern auch in anderen Regionen der Welt eine Herausforderung. Dennoch habe ich den Eindruck, dass der Gesundheitskompetenz und laienverständlicher Kommunikation von Akteuren der Branche und Regulierungsbehörden immer noch relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Ist diese Beobachtung korrekt, und warum ist das Ihrer Meinung nach so?

IK: Eine Verbesserung der Gesundheitskompetenz ist eine außerordentlich langfristige Aufgabe, denn sie setzt ein höheres Interesse der Öffentlichkeit an Gesundheitsfragen voraus. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass ein Quantensprung beim öffentlichem Interesse durchaus möglich ist. Ein Großteil der Bevölkerung interessiert sich plötzlich für neue Impfstoffe und COVID-19-Therapien, für deren Entwicklung und Zulassung und dafür, welche Studien durchgeführt wurden und was sie ergaben. Wir haben auch erfahren, wie wichtig Experten sind, die Forschung und Ergebnisse der Öffentlichkeit gut erklären können, um den vorhandenen Informationsbedarf zu decken. Kurzfassungen in Laiensprache können – sofern sie gemäß der anerkannten patientenorientierten GLSP-Norm erstellt, übersetzt und verbreitet werden – eine für ein zunehmend interessiertes und sachkundiges Publikum äußerst wirksame Möglichkeit zur Bereitstellung relevanter Informationen zu allen Arten klinischer Forschung werden.

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Pia Windelov
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